.

Liebeserklärung für die Angehörigen

Wege zur Gelassenheit

wild&weiblich-Vorsitzende Roswitha Prasser (3.v.l.) und die anwesenden Vereinsmitglieder dankten Rechtsanwältin und Steuerberaterin Bettina Steglich (2.v.r.) für ihre ausführlichen Informationen über die Themen Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Foto: privat

 

Rechtsanwältin Bettina Steglich informierte wild&weiblich-Unternehmerinnen über Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Testament.


Freyung/FRG/REG/PA/DEG (oi
).  Steglich die Mitglieder des Vereins wild&weiblich – Unternehmerinnen im Dreiländereck Bayern-Böhmen-Oberösterreich e.V. über Aktuelles und Hintergründiges zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Testament im Restaurant Veicht in Freyung.

Als Unternehmerin ist man daran gewöhnt, an die Vorsorge in vielerlei Hinsicht zu denken, aber „Was passiert mit mir, wenn ich sterbe oder plötzlich nicht mehr ‚Frau meiner Sinne‘ bin“, eröffnete die Rechtsanwältin und Schatzmeisterin im Verein wild&weiblich fragend in die Runde ihren mehrstündigen Vortrag und startete mit einem kurzen Exkurs in das Thema Testament. Dieses muss komplett eigenhändig handschriftlich verfasst sein, sonst ist es von der Form her unwirksam. Dieses Testament könne man jederzeit beim Amtsgericht hinterlegen. Ein durch den Notar erstelltes Testament habe den Vorteil, dass der Notar umfassend beraten muss und dass dieses in vielen Fällen einen Erbschein überflüssig macht. Das notarielle Testament werde bei einem bundesweit zentralen Register hinterlegt und im Todesfall „geht es über ein bundesweites Netz, egal wo sich die Erben gerade aufhalten“, beschreibt Steglich diese Testament-Variante. Wer allerdings nach einem notariellen Testament doch noch ein privates verfassen möchte, müsse gleich zu Beginn schreiben, dass alle Testamente damit nicht mehr gültig sind.

Einen Erbvertrag könne man nur aufheben, wenn der Vertragspartner damit einverstanden sei. Wichtig sei auch zu wissen, dass Kinder immer ein Recht auf ihr Pflichtteil haben, auch wenn sie im Testament ausdrücklich von einer Erbschaft ausgeschlossen wurden.

Ein für Steglich wichtiges Thema war die Vorsorgevollmacht. „Niemand weiß, wann der Schicksalsschlag eintrifft“, erklärt die Rechtsanwältin, die auch erste Vorsitzende des Hospizvereins Freyung-Grafenau ist und ergänzt: „Nach einem plötzlichen Schlaganfall, einem Schädelhirn-Trauma durch einen Sturz oder einer Hirnhautentzündung nach einem Zeckenbiss sieht das Leben vor allem für die Angehörigen auf einen Schlag anders aus. Sie sind es dann, die Entscheidungen treffen müssen, wie es weitergehen soll. Welches Krankenhaus gewählt wird, wer das Unternehmen weiterführt, wer die Steuererklärung macht und viele andere Themen, die von einer Sekunde auf die andere gelöst werden müssen. „Wer entscheidet für mich, wenn ich nicht mehr entscheiden kann, ist die wesentliche Frage“, so Steglich. Eine Vorsorgevollmacht sei nicht eine Frage des Alter sondern des Bewusstseins, dass alles von jetzt auf gleich anders sein kann und dass ohne eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung die Angehörigen meist sehr im Dunkeln tappen. Dabei geht es nicht nur um den Inhalt, dass man nach einem schweren Unfall unter Umständen keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte, sondern zum Beispiel auch darum, dass man den Arzt von der Schweigepflicht entbindet, an die er sogar noch nach dem Tod selbst Angehörigen gegenüber gebunden ist. Fehlt eine derartige Vollmacht, so wird von Seiten des Amtsgerichts häufig ein Berufsbetreuer eingesetzt, der zwar auch ein Familienmitglied sein kann, aber oft ein Fremder ist, wenn nach Ansicht des Gerichts Kinder möglicherweise zu weit entfernt wohnen oder nur Angehörige im fortgeschrittenen Alter existieren.  „Eine Vorsorgevollmacht ist eine einseitige Willenserklärung und bindend“, erklärte die Rechtanwältin. Der Bevollmächtige muss kein Angehöriger sein und ratsam sei es auch, eine Ersatzperson zu benennen, wenn der Erstgenannte nicht kann oder will. Je präziser, umso besser sei eine Vollmacht. Dabei gehe es auch um viele Themen wie Ärzte, Firmenfragen, Immobilien und Pflege. Die Vorsorgevollmacht bedarf einer öffentlichen Beglaubigung, nur dadurch ließe sich auch im Ernstfall die Immobilie durch den Betreuer veräußern, wenn dies zum Beispiel für die Kosten in einem Pflegeheim notwendig sei. Bei einer notariellen Generalvollmacht ist von Vorteil, dass sich der Notar bei der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers überzeugen muss. Ein Generalbevollmächtigter kann alle Rechtsgeschäfte für den Vollmachtgeber erledigen, „ihn nur nicht verheiraten oder für ihn ein Testament schreiben“.  Eine Vorsorgevollmacht kann jederzeit geändert werden.

Wichtig sei vor allem, so Steglich, dass alle Urkunden gut greifbar sind. Es empfiehlt sich auch, Kopien mit sich zu führen. Passiert zum Beispiel ein Autounfall, haben die Ersthelfer vor Ort bereits ausreichend Informationen.

Die Patientenverfügung sei der sensibelste Bereich bei allen Fragen um die Gesundheit, bei Krankheit und beim Sterben, informierte Steglich in ihrem letzten Kapitel des Vortrags. Die Frage „Was soll mit mir geschehen, wenn ich nicht mehr entscheiden kann“, sei die zentrale Frage über die man sich nicht erst in späteren Jahren, sondern jetzt Gedanken machen sollte. Dabei helfen Fragen wie „Lebe ich gerne und in welchem Zustand möchte ich leben?“ oder „Was ist, wenn ich dauerhaft auf Hilfe angewiesen bin?“. Das größte Problem sei, so Bettina Steglich, „dass die meisten Patientenverfügungen sehr ungenau formuliert sind und oft Raum für Interpretationen geben, was denn der Verfasser wirklich wollte. „Man sollte sich über die persönliche Einstellung zum Leben und zum Sterben bewusst werden. Der Laie kann die inhaltlichen Feinheiten nicht wissen. Ansprechstellen wie der Hospizverein können dazu jedoch umfassend und kostenfrei informieren“, erklärte Steglich. 

Zum Schluss empfahl die Referentin den Teilnehmerinnen, alle Dokumente in einem extra und schnell zugänglichen Ordner aufzubewahren und diese Dokumente jetzt zu erstellen und diese an geänderte Lebensumstände immer wieder anzupassen. „Diese Dokumente sind Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts. Im Falle eines Falles befinden sich die Angehörigen in einer äußerst belastenden Krise. Durch diese Dokumente entlastet man sie und das ist in meinen Augen auch vergleichbar mit einer Liebeserklärung an die Angehörigen“, schloss Steglich ihre ausführlichen Informationen.

wild&weiblich-Vereinsvorsitzende Roswitha Prasser bedankte sich bei Steglich für die ausführlichen Informationen und die guten Ratschläge und Antworten auf teils persönliche Fragen.

 

  

 


 

 

  • 1